Religiosität, Raubritter und der Einfluss der Antike...
|
Religiösität
|
Nicht zu unterschätzen ist die allgegenwärtige
Präsenz der Religiosität. Sie bot Kalender, Uhr,
Wecker, Beistand und Hilfe in der Not. Der Ablauf des Kirchenjahres,
Feiertage, Fastenzeiten, die Kirche gab dem Jahr, dem Monat,
der Woche und dem Tag feste Strukturen. Ohne Uhren und Wecker
regelte das Läuten der Glocken den Tag, die Anzahl
der zu betenden Vaterunser bemaß die Kochzeit. Zwar
konnte die bäuerliche Bevölkerung weder lesen
noch schreiben, doch jeder, nun ja, fast jeder, wusste die
Bildsprache der Gemälde und Wandmalereien, der Statuen
und Reliefs in den Kirchen zu deuten. Und zwar nicht nur,
welche Heiligen abgebildet sind, sondern ebenso die Bedeutung
eines jedes im Bild gezeigten Details, von der Farbe des
Gewandes der Jungfrau Maria bis hin zu den Blumenarten und
dem Getier auf der Wiese zu Füßen des auferstehenden
Christus. - Dabei muss man bedenken, dass Kunst zunächst
ausschließlich von der Kirche in Auftrag gegeben wurde,
und somit nur in Kirchenräumen zu sehen war. Erst mit
dem ausgehenden Mittelalter, beziehungsweise der Renaissance,
findet auch das bürgerliche Milieu zunehmend Geschmack
daran, die Wände seiner Räume zu dekorieren.
Jeder Tag ist einem Heiligen zugeordnet, jede Eventualität
durch den Beistand eines Heiligen abgedeckt, dies gibt einem
jeden Menschen Ordnung und Halt. Eine alltägliche religiöse
Ordnung, die wir heute in ihrer allumfassenden Präsenz
nicht nachvollziehen können. Und die uns wohl, würde
man sie in einem Roman historisch getreu umsetzen, über
kurz oder lang langweilen würde.
|
Renaissance
|
Der Beginn der Renaissance vollzieht sich
mal früher, mal später. Sichtbar werden die Neuerungen
zunächst in der Architektur und der Malerei. Hier z.B
in der zeitgleichen
(Wieder-) Entdeckung der Perspektive durch italienische
und niederländische Maler. Wichtig werden zwei weitere
Entdeckungen: die des "Ich", also des Menschen
als Individuum und damit die "Erfindung" des Portraits,
und die Entdeckung der Natur - Petrarcas Besteigung des
Mont Ventoux, dessen literarische Verarbeitung und deren
bildliche Umsetzung in der Landschafts- und Stilllebenmalerei
sind da die Auslöser. Diese Entwicklungen vollziehen
sich natürlich nicht auf einen Streich. In Italien
beginnt diese Epoche, die Renaissance - Wiedergeburt der
Antike - genannt wird, bereits ab dem 13. Jahrhundert. In
den Niederlanden setzt sie sich fort, in Deutschland hingegen
wird sie in der Malerei erst im 15. Jahrhundert mit Künstlern
wie Cranach oder im 16. Jahrhundert mit Albrecht Dürer
wirklich sichtbar. Die in Italien umtriebigen Händler
und Kaufleute sind die ersten, die die neue Kunst in Form
neuartiger Bauten auch nach Deutschland bringen. In Augsburg
und Nürnberg beauftragen sie italienische Architekten
mit Bauten im neuen Stil.
|
Einfluss der Antike
|
Auslöser dieser neuen Kunst und Architektur sind Funde in Rom. 1480 wird die Domus Aurea des Kaisers Nero entdeckt, die Fresken an Wänden und Decken beeinflussen die Künstler maßgeblich. Die sogenannten Grotesken werden Vorbild für Putten und Engel der Renaissancemalerei, auch wenn es einzelne Motive - wie beispielsweise Drachen - auch zuvor schon in der Buchmalerei gegeben haben mag, so setzen sie sich jetzt auch in der Tafel-, Leinwand- und Freskenmalerei durch. Ebenso gab die Entdeckung der Laokoon-Gruppe 1506 der Bildhauerei neue Impulse, die sich in den monumentalen Statuen beispielsweise Michelangelos zeigen.
|
Die politische Lage
|
Ende des 15. Jahrhundert steht König Maximilian kurz davor, zum Kaiser gekürt zu werden. Er ist neben Karl dem Großen, Barbarossa und den Ottonen sicher einer der bedeutenden Kaiser, der in einer Zeit des massiven Umbruchs regiert. Er galt als knauserig und gerissen, wurde aber auch "Der letzte Ritter" genannt und markiert damit Tugenden, deren Aussterben längst begonnen hat.
Der befürchtete Einfall des französischen
Königs in Neapel fand tatsächlich statt. Nach
dem Tod König Alfons
V. von Aragón bekam sein Bruder Johann von Aragón
Sizilien und sein unehelicher Sohn Ferdinand
I. Neapel. Ferdinands Sohn Alfons
II. wurde am 23. Januar 1495 zur Abdankung gezwungen,
weil der französische König, Karl
VIII., als Lehnsherr der ausgestorbenen Anjou-Prinzen,
nun seinerseits Neapel beanspruchte und das Königreich
von Februar bis Juli 1495 regierte. Kurz nachdem Karl VIII.
die Stadt wieder verlassen hatte, eroberte Ferdinand
II., Alfons' Sohn, sein Erbe. Mit seinem Tod (1496)
brach ein neuer Kampf um Neapel aus. Diesmal war es kein
französischer Prinz, sondern der König von Sizilien
(Ferdinand, der Katholische von Aragón), der 1501
in Neapel einfiel, den dortigen König (Friedrich) vertrieb
und das Reich seinem eigenen zuführte.
|
Blüte der Städte - Untergang des Rittertums
|
Mit dem wachsenden Einfluss der Städte und damit der Hanse drängt sich eine neue Schicht in die gewachsene Hierarchie und sorgt für Unruhe: die Bürger. Nach und nach verlangen sie mehr Rechte, sind bereit, dafür auch Pflichten zu übernehmen und verdrängen allmählich die Schicht, ohne die in der Vergangenheit so gut wie nichts ging: die Ritter.
In einer Welt, in der das Geld regiert, der
Handel, die Banken, also wirtschaftliche Faktoren die früheren
Werte von Treue und Loyalität dem Herrn in den Hintergrund
treten lassen, verlieren die Ritter ihre Daseinsberechtigung.
Teilweise werden sie durch "neue" Berufe aufgefangen,
die durch die veränderten Lebensbedingungen entstehen,
in der Administration der Fürsten beispielsweise. Aber
viele verlieren auch ihre Existenz, und ihr Einfluss verfällt
ebenso wie ihre Burgen. Niemand bedarf ihrer Dienste mehr,
Aufgaben der Verteidigung übernehmen bezahlte Söldertrupps,
die bei Bedarf angeworben oder entlassen werden können.
Naturgemäß schließen sich viele der arbeitslos
gewordenen Ritter diesen Gruppen an. Manche jedoch wählen
den Weg des Gesetzlosen, werden zum Raubritter und begründen
damit auch ein Genre in Kunst und Literatur.
Ein solcher Raubritter ist auch Busso von
Haldenleben, der Schurke in meinem Roman. Die Figur ist
frei erfunden, soweit mir bekannt gab es Ende des 15. Jahrhunderts
auch keine Ritterfamilie dieses Namens mehr.
|
Lehen
|
Das Lehenswesen stammt noch aus dem frühen
Mittelalter, das Wort kommt ursprünglich von Leihen.
Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, der Herr verleiht
seinem Untertan etwas - eine Burg beispielsweise - und der
kämpft im Gegenzug für ihn. Er wird zum Vasall
des Königs, beschlossen wird der Vertrag, indem der
Vasall seine Hände in die seines Herrn legt. In der
Regel bekommt der Herr auch den Zehnt - also den zehnten
Teil der erwirtschafteten Güter - als eine Art Pacht.
In den Akten der Grafen zu Stolberg-Wernigerode begegnen
Lehen in den unterschiedlichsten Formen: Dörfer samt
Zubehör werden an die Vasallen des Grafen vergeben,
Wälder und Wüstungen, Fischteiche werden genannt,
aber auch Mühlen und Gasthäuser. Als Empfänger
dieser Lehen tauchen neben den Adligen immer wieder auch
Bürger auf. Wobei nicht klar ersichtlich ist, ob diese
Vergabepolitik der angespannten Finanzlage des Grafen geschuldet
ist, oder Alltag war. Im Lexikon des Mittelalters heißt
es, dass später "auch" Bürger ein Lehen
bekommen konnten, es aber eher die Ausnahme darstellt. Die
Bezahlung von Geld anstatt eines Waffendienstes kommt laut
Lexikon in England auf. Die Stolberger Akten vermitteln
ein anderes Bild.
|
Adelstitel
|
In dieser Zeit des ausgehenden Mittelalters ist allein am Namen nicht unbedingt zu erkennen, ob jemand zum Adelsstand gehört oder nicht. Der Zusatz "von" ist zunächst nichts anderes als eine Herkunftsbezeichnung. Es kann, muss aber nicht im Sinne eines Titels gebraucht werden. Sicher waren den Menschen des Mittelalters neben den großen Herrscherhäusern die lokalen Prominenten ebenso präsent wie uns heute Politiker oder Stars.
|
|